Der österreichische Telekomkonzern A1 (Telekom Austria) macht sich ein weiteres Mal für eine Art "Streaming-Maut" stark. US-Unternehmen wie Netflix oder Amazon, die in den Festnetz- und Mobilfunknetzen hohen Datenverkehr verursachen, sollten an den Investitionskosten der europäischen Telekombranche beteiligt werden, so die Forderung der teilstaatlichen Telekom Austria. Bei der EU-Kommission in Brüssel sei "ein Umdenken im Gange", zeigt sich Vorstand Thomas Arnoldner überzeugt.

Wer Infrastruktur für seinen Service nutzt soll dafür noch mal gesondert bezahlen, fordert A1. Eine mehr als umstrittene Logik, zahlen doch die Nutzer ohnehin schon für ihre Internetzugänge.
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Für Abonnentinnen und Abonnenten von Streamingdiensten könnte es teurer werden, sollte die Politik die Wünsche von A1 umsetzen und Anbieter wie Netflix, Disney und Co. die "Maut"-Kosten in Form von höheren Abo-Preisen weiterverrechnen. Kritiker verweisen zudem darauf, dass die Telekomfirmen mit einer Datenmaut auf beiden Seiten abkassieren würden. Immerhin zahlen die Nutzer ohnehin schon für ihre Internetzugänge, und finanzieren damit auch die Infrastruktur.

Netzneutralität als Hürde

Größte "Hürde", um Streamingriesen noch einmal gesondert zur Kasse bitten zu können, ist die EU-Verordnung zur Netzneutralität. Arnoldner verweist darauf, dass diese in den USA bereits 2017 abgeschafft worden sei, ohne dass es zu Problemen gekommen sei. Soweit müsste die EU aber gar nicht gehen. Arnolder schweben regulierte Terminierungsentgelte vor, die von den Diensteanbietern bezahlt werden sollen. Die bisher in der EU hoch gehaltene Netzneutralität besagt, dass im Internet jedes Datenpaket gleichwertig behandelt werden muss. Vor allem Internet-Aktivisten machten sich immer wieder stark für ein für alle freies und offenes Internet.

Wifo-Ökonom Michael Böheim, der sich im Auftrag von A1 mit dem Thema beschäftigt hat, behauptete im Gespräch mit der APA, dass eine strikte Auslegung der Netzneutralität negative volkswirtschaftliche Auswirkungen habe, weil sie unter anderem den flächendeckenden Breitbandausbau verlangsame. Außerdem hätten Streamingriesen, die für die Kosten, die sie in den Netzen verursachen, zahlen müssen, ein Interesse, ihre Datenpakete zu komprimieren.

Argumentation

Arnoldner sagte, 80 Prozent des Datenverkehrs kämen von Bewegtbildern und 57 Prozent des Traffics würden die US-Internetriesen wie Google, Meta, Amazon oder Netflix verursachen. Derzeit sei es so, dass die öffentliche Hand mit Steuergeld den Breitbandausbau finanziere, während die Gewinne daraus in die USA abflössen und die Wertschöpfung somit außerhalb Europas stattfinde.

Laut Arnoldner gibt es in der EU eine Investitionslücke von 200 Milliarden Euro. Es sei nur fair, wenn sich neben der öffentlichen Hand und den Telekomunternehmen auch die Internetunternehmen an den Kosten für den Netzausbau beteiligen müssten. Arnoldner verglich die Debatte mit jener über eine kilometerabhängige Lkw-Maut, die auf den Autobahnen letztlich für Kostenwahrheit gesorgt habe.

Vorgeschichte

Der Ruf nach einer "Streaming-Maut" ist nicht neu. 2022 forderte die Interessenvertretung "Internetoffensive Österreich" eine "Gigabit-Abgabe". 2021 machten sich 13 Vorstandschefs europäischer Telekom-Provider für einen "fairen Beitrag" der US-Techindustrie stark. Zu den Unterzeichnern damals gehörten neben der Telekom Austria unter anderem die Deutsche Telekom, Telefonica und Vodafone.

Auf der anderen Seite steht ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen, die vor solchen Ideen eindringlich warnen. Es handle sich dabei um den simplen Versuch von Telekommunikationsunternehmen ihre Bilanzen aufzuhübschen. Eine Datenmaut habe "unmittelbare und weitreichende negative Folgen, nicht nur für europäische Unternehmen, sondern auch für die Verbraucher", die mit höheren Kosten und eingeschränkten Wahlmöglichkeiten rechnen müssten, formulierte es selbst die Telekom-Regulierungsbehörde der EU (BEREC) im Vorjahr unmissverständlich. (APA, red, 22.04.2024)