Andrej Plenković
Seit 2016 Premierminister Kroatiens: Andrej Plenković.
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Die Tatsache, dass die konservative Regierungspartei HDZ unter der Führung des Ministerpräsidenten Andrej Plenković kürzlich zum dritten Mal die Parlamentswahlen – wenn auch mit geschrumpfter Mehrheit der Mandate – gewonnen hat, darf über die tiefe politische und moralische Krise in Kroatien nicht hinwegtäuschen. Seit der Geburt des unabhängigen Staates im Juni 1991 versinkt das EU- und Nato-Mitglied Kroatien immer wieder im Sumpf der Bestechungen und des Amtsmissbrauchs. Auch die durch den Amtsantritt des Diplomaten und EU-Parlamentsabgeordneten Plenković im Jahr 2016 geweckten Hoffnungen wurden bald enttäuscht. Nicht weniger als 30 Minister seiner Regierungen mussten meist wegen Korruption zurücktreten.

Zugleich muss man aber auch feststellen, dass die kroatische Regierung sowohl in der EU-Politik als auch hinsichtlich der Solidarität mit der von Russland überfallenen Ukraine stets eine positive Rolle gespielt hat. Gerade deshalb lösen die abenteuerlichen Aktionen des nur dem Namen nach sozialdemokratischen Staatspräsidenten Zoran Milanović nicht nur im Land selbst, sondern auch international wachsende Besorgnis aus. Der Ex-Ministerpräsident (2011–2016) gewann 2020 die Präsidentenwahl mit einer scheinbar gemäßigten Linie. Seitdem entpuppte sich aber Milanović als ein lautstarker Putin-Freund, mit scharfen Angriffen gegen die Ukraine und die Vereinigten Staaten. Er hatte sogar gefordert, dass Kroatien den Beitritt Schwedens und Finnlands zur Nato blockieren sollte. In russischen Medien wird der irrlichternde Staatschef wegen seiner Kritik an den westlichen Sanktionen und der Ablehnung der Aufnahme der Ukraine in die Nato als Beispiel für andere europäische Spitzenpolitiker gelobt. Präsident Milanović wird von seinen Gegnern nicht zufällig als der "kroatische Trump" und "Putins Mann in Kroatien" bezeichnet.

Untersagte Kandidatur

Mit der Ankündigung Milanovićs, als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten während des Wahlkampfs aufzutreten, aber trotzdem Staatspräsident bleiben zu wollen, erreichte der Streit um seine Rolle einen neuen Höhepunkt. Das Verfassungsgericht hatte die Kandidatur untersagt, da ein Staatsoberhaupt sich während seines Amtes nicht an parteipolitischen Aktivitäten beteiligen dürfe. Dessen ungeachtet hatte Milanović seinen Wahlkampf fortgesetzt und die Richter als analphabetische Bauern und den Verfassungsgerichtspräsidenten als Betrüger beschimpft. Dass zwei Tage nach der Wahl das Oberste Gericht Milanović überhaupt vom Amt des Ministerpräsidenten ausgeschlossen hat, löste allerdings auch Kritik aus.

Jedenfalls ist Wahlsieger Plenković mit nur 61 von 151 Parlamentssitzen bei der Regierungsbildung auf die Unterstützung kleinerer Parteien angewiesen. Eine Schlüsselrolle spielt die rechtsextreme Heimatbewegung mit 14 Sitzen. Sollte die Suche nach einer regierungsfähigen Mehrheit scheitern, könnte der Staatspräsident eine Übergangsregierung einsetzen, um den von ihm als "Chef einer korrupten Bande" bezeichneten Plenković als Premier zu verhindern. Angesichts der innenpolitischen Polarisierung schließen Beobachter auch Neuwahlen nicht aus. In Kroatien ist heute alles möglich. (Paul Lendvai, 23.4.2024)