Stagnation statt Rezession, das sind die Aussichten der Industrie bis zum Herbst. Da erwarten Österreichs Industriebetriebe nach eigenem Bekunden, dass die Talsohle durchschritten ist. Vor allem die Papierindustrie würde von entsprechenden Signalen berichten, sagt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), am Montag bei einem Pressegespräch. Weniger gut gestimmt sind demnach die Metallindustrie und die dazugehörigen Maschinenbauer. Wobei die Inlandsnachfrage mau bleibe, wie IV-Chefökonom Christian Helmenstein ergänzt. Die positiven Nachrichten, die Neumayer und Helmenstein der Konjunkturumfrage für das erste Quartal entnehmen, sind rar gesät. Österreichs Industrie sei "meilenweit von einem selbsttragenden investitionsgetriebenen Aufschwung entfernt", sagt Helmenstein. Immerhin: Die Auslandsnachfrage scheine sich auf niedrigem Niveau zu beleben. Die Abwertung des Euro würde den Preisdruck etwas lindern, so der Ökonom.

Ein Bauingenieur mit Helm
Mit Wachstum rechnet die Industrie derzeit nicht. Das werde sich auch auf die Zahl der Beschäftigten niederschlagen, sagen die Industrievertreter.
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Womit der Bogen zu einem der Lieblingsthemen der Industrie geschlagen wäre: ein Kostenzuwachs, der dem Produktivitätszuwachs davongaloppiere. Neumayer hat einmal mehr einen entsprechenden Forderungskatalog zusammengestellt, um die "strukturellen Probleme" anzugehen. Der "Bürokratietsunami" gehöre gebremst, dazu schlägt die Industrie ein "Belastungsbarometer" vor, um das wahre Ausmaß zu ermessen. Dazu kämen die Kostensteigerungen für Unternehmen. Wobei in Österreich hohe Arbeitskosten mit hohen Energiekosten zusammenfielen – und im Winter angesichts des auslaufenden Transitvertrags der Ukraine mit Russland für russisches Gas noch dazu ein Mangel an Gas drohe. Dann drohe in Branchen wie Papier und Pappe, dass Österreich zu dem Produktionsstandort mit den höchsten Stückkosten werde – und die multinationalen Konzerne der Branche ihre Produktion in andere Länder verlagern. Die heimische Politik müsse sich für eine politische Lösung einsetzen, damit weiterhin russisches Gas nach Österreich fließen könne, fordert die IV.

"Kein Land der Faulpelze"

Was die Arbeitskosten betreffe, so seien diese in Österreich jedenfalls sehr viel deutlicher gestiegen als etwa in Deutschland, warnt Neumayer. Das Arbeitsvolumen pro Beschäftigtem sei seit 2015 von 1520 Stunden auf 1448 Stunden geschrumpft. "Österreich ist sicher kein Land der Faulpelze", sagt Neumayer. Aber die Zahl derjenigen, die viel arbeiten möchten, werde immer weniger, verweist der IV-General auf die hohe Teilzeitbeschäftigung.

Der Schluss, den die Industrievertreter daraus ziehen: "Wir müssen mehr arbeiten und nicht weniger", um den Wohlstand zu erhalten. Das ist auch vor dem Hintergrund der laufenden Kollektivvertragsverhandlungen - etwa in der Elektroindustrie zu verstehen. Statt Arbeitszeitverkürzung, wie sie etwa die SPÖ vorschlägt, brauche es im Gegenteil eine 41-Stunden-Woche – ohne Lohnerhöhung. Details seien in KV-Verhandlungen zu besprechen, so Neumayer. Er verweist auch auf die "Unzahl an Feiertagen" in Österreich. Angesichts der Umstände seien dies Themen, die man dringend angehen müsste.

Schlecht informiert

Auch Erklärungsversuche, warum sich vor allem jüngere Menschen nicht mehr blindlings in Arbeit stürzen, und mögliche Therapievorschläge haben die IV-Vertreter mitgebracht: Junge seien anspruchsvoller bei der Jobwahl, konstatiert Neumayer. In Watte packen müsse man sie nicht, sondern als Unternehmen Wege zu sinnstiftendem Arbeiten finden. Neumayer zählt etwa projekt- und zielorientiertes Arbeiten dazu. Helmenstein verweist auf die hohen Wohnungspreise und den Umstand, dass so mancher wohl die Flinte ins Korn werfen würde, noch ehe er mit Eigentumsaufbau beginne. Der nachlassende Druck bei den Wohnungspreisen im Verhältnis zu den gestiegenen Nominaleinkommen gebe aber Anlass zur Hoffnung. Vielen sei auch gar nicht bewusst, dass eine Verringerung der Arbeitszeit auf 80 Prozent über das Berufsleben zu 400.000 Euro weniger Einkommen führen könne – "das ist nicht ein Mittelklassewagen, das sind ein bis zwei Wohnungen". (Regina Bruckner, 22.4.2024)