Butterblock auf einem Holzbrett
Viele beäugen Fett misstrauisch, dabei ist es wichtig für die Gesundheit und als Geschmacksträger – für so manchen ist ein Leben ohne Butter möglich, aber sinnlos. Den schlechten Ruf verdient es nur im hochverarbeiteten Zustand.
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Es gibt, grob gesagt, zwei Schulen in der Abnehmindustrie. Low Carb und Low Fat. Einmal überwiegt die Ansicht, dass man auf Kohlenhydrate verzichten müsse, dann neigt sich das Pendel wieder der Überzeugung zu, dass Fett der Übeltäter ist, den man aus der Ernährung weitgehend verbannen muss. Dazu gibt es natürlich noch jede Menge Crashdiäten, bei denen man gleich auf alles verzichtet – und die dafür den Stoffwechsel verlässlich kaputtmachen.

Mittlerweile spricht man eher nicht mehr von Diät, die Vorstellung, sich selbst für die Figur zu kasteien, ist nicht mehr hip. Man setzt lieber auf Clean Eating, Intervallfasten oder vegane Ernährung. Und auch wenn es für jede dieser Ernährungsarten sehr gute und nachvollziehbare Gründe gibt – und jede, wenn man sie gut und ausgewogen betreibt, viele Vorteile haben kann –, viel mehr Menschen, als man denken würde, gehen immer noch davon aus, dass man damit automatisch abnimmt.

So tief sind die Vorstellungen vom perfekten, schlanken Körper immer noch in unseren Köpfen verankert – schon der englische Dramatiker Lord Byron hat wissentlich seine eigene Gesundheit ruiniert, um sein Image als tragischer Held mit schlanker Silhouette aufrechtzuerhalten –, dass es wohl noch ziemlich lange dauern wird, bis sich ein breit etabliertes, der Gesundheit zuträgliches Essverhalten ohne Dramen und Verbote durchgesetzt hat. Und auch der Mythos vom bösen Fett wird sich noch länger halten. Deshalb sollte man immer wieder darüber aufklären.

Polster für die Organe

Was ist Fett eigentlich? Es gehört zu den drei Makronährstoffen und ist der effizienteste Energielieferant von ihnen. Immerhin hat es rund neun Kilokalorien pro Gramm, im Gegensatz zu Kohlenhydraten und Proteinen, die jeweils mit nur rund vier Kilokalorien pro Gramm aufwarten können. Das gibt auch schon einen Hinweis darauf, warum es so einen schlechten Ruf hat, weiß Holly Wilkinson: "Auf einen Esslöffel passen bis zu 15 Milliliter Öl, da kommt schnell einiges zusammen, wenn man es großzügig einsetzt." Die Ernährungswissenschafterin unterstützt in der neuen Staffel der Puls-4-Sendung "So lebt sich's leichter!" ab 23. April immer dienstags Menschen wieder bei der Ernährungsumstellung inklusive Abnehmen.

Doch Fett liefert nicht nur extrem effizient Energie, es hat noch andere, lebenswichtige Aufgaben. So sind etwa die inneren Organe jeweils von einer Fettschicht umgeben, die sie schützt, wie eine Art natürliche Luftpolsterfolie. Sonst könnten Erschütterungen Leber, Milz oder Niere potenziell schädigen. So manche Nährstoffe, etwa die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K, brauchen es, damit der Körper sie überhaupt aufnehmen kann. Fett ist in Form von Cholesterin außerdem Bestandteil jeder Zelle. Und es ist essenzieller Baustein für die Produktion praktisch aller Hormone. Nimmt man zu wenig Fett zu sich, kann das also die Hormonproduktion negativ beeinflussen.

Fett ist dabei nicht gleich Fett. Bei dem Wort kann sich durchaus ein gewisser Ekel einstellen, Bilder von riesigen Billigölkanistern oder rohem Schweinebauch tauchen vor dem inneren Auge auf. Spricht man dagegen von bretonischer Salzbutter oder kaltgepresstem Öl aus einem toskanischen Olivenhain, bekommt man gleich Lust auf mehr. Kein Wunder, ist der Schmierstoff doch ein wichtiger Geschmacksträger, weiß Wilkinson: "Und auch für die Textur der unterschiedlichen Speisen ist es extrem wichtig." Speisen bekommen dadurch etwa eine üppige Cremigkeit, die manche Gehirne nach immer mehr davon verlangen lässt – wie DER STANDARD hier berichtete.

Fest versus flüssig

Es ist also ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Nahrung. Doch man sollte die Art sehr bewusst wählen, betont Wilkinson: "Je nach Art und Verarbeitung kann es besser oder nicht so gut für uns sein." Da wäre erst einmal die Trennung in pflanzliche und tierische Fette. Die allermeisten tierischen Fette sind bei Raumtemperatur in festem Zustand, Öle hingegen sind meist flüssig, mit Ausnahme des Kokosöls. Die Konsistenz liefert auch noch eine weitere, grobe Einteilung. Feste Fette setzen sich tendenziell aus mehr gesättigten Fettsäuren zusammen, natürlich flüssige beinhalten mehr ungesättigte, erklärt die Ernährungswissenschafterin.

Holly Wilkinson
Ernährungswissenschafterin Holly Wilkinson unterstützt in der neuen Staffel der Puls-4-Sendung "So lebt sich's leichter!" ab 23. April immer dienstags Menschen wieder bei der Ernährungsumstellung inklusive Abnehmen.
Martha Gattringer

Dieser Unterschied ist insofern relevant, als wir, zumindest hierzulande, die gesättigten Fettsäuren über die Nahrung ausreichend aufnehmen, aber tendenziell zu wenig ungesättigte konsumieren und diese stärker in den Speiseplan einbauen sollten. Die haben nämlich den Vorteil, dass sie durch ihre chemische Struktur mit Doppelbindung im Stoffwechsel vielfältiger einsetzbar sind. Sie wirken sich auch insofern auf den Cholesterinspiegel aus, als sie das eher problematische LDL-Cholesterin, das bei einem Zuviel zu Arteriosklerose führen kann, senken und den positiv wirkenden HDL-Cholesterinspiegel (Eselsbrücke: Hab dich lieb) positiv beeinflussen.

Das bedeutet nicht, dass gesättigte Fettsäuren automatisch schlecht sind für den Cholesterinspiegel, in Maßen sind sie keinesfalls ein Problem. Aber im klassisch österreichischen Speiseplan sind sie wesentlich stärker präsent. Will man auf bessere Ernährung achten, kann man hier zurückschrauben. Nur in einem Bereich empfiehlt Wilkinson eher gesättigte Fettsäuren: beim Kochen. "Sie haben einen höheren Rauchpunkt und können deshalb stärker erhitzt werden."

Übrigens: Dass man insgesamt zu wenig Fett abbekommt, darüber brauchen sich die meisten tatsächlich keine Sorgen zu machen. Es wird ja in vielen Lebensmitteln automatisch mitgeliefert. In Fleisch etwa, Milchprodukten, aber auch Samen und Nüssen. Kommen dann noch jene Öle und Fette dazu, die man fürs Kochen braucht oder in den Salat gibt, ist der tägliche Bedarf, der ungefähr 30 Prozent der aufgenommenen Kilokalorien betragen sollte – das sind bei einem Durchschnittsverbrauch von 2.000 Kilokalorien rund 65 Gramm, also etwa sechs Esslöffel Öl –, gut abgedeckt.

Die Aufregung ums Omega 3

Wovon man dagegen angeblich nicht zu viel haben kann, ist das Omega 3. Zumindest hört man oft, es sei Mangelware, so manchem gilt es als der heilige Gral unter den Fettsäuren. Es zählt zu den mehrfach ungesättigten und soll die Blutgefäße schmieren, vor Krebs schützen und die Gehirnentwicklung fördern. Das Problem: Auf dem klassischen österreichischen Speiseplan ist es nur in Maßen vertreten. Eine sehr gute Quelle für Omega-3-Fettsäuren sind Meeresalgen. Über den Umweg über die Fische, denen diese als Futter dienen, kommen sie auf unseren Teller.

Doch nicht jeder Mensch muss automatisch zusätzlich Omega 3 über diverse Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, ein normal gesunder Mensch bekommt ausreichend davon über einen ausgewogenen Speiseplan. Wilkinson betont: "Man muss nicht unbedingt dreimal pro Woche Fisch essen. Vor allem, wenn der aus Aquakultur mit Massenzucht kommt, kann man davon ausgehen, dass das Omega 3 keine gute Qualität hat, man dafür aber vermehrt Schwermetalle serviert bekommt." Sie empfiehlt ein hochwertiges Algenöl, das man in Salate und Aufstriche gibt. Und es gibt auch heimische Quellen: "In qualitativ hochwertigem Leinöl ist viel Omega 3, ebenso in Walnüssen und verschiedenen Samen. Von denen kann man am besten täglich eine Handvoll in den Speiseplan einbauen." Letztere liefern neben den Fettsäuren auch gleich noch etwas Protein, Ballaststoffe, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe.

Insgesamt empfiehlt Wilkinson, Öle und Fette gezielt und in Maßen einzusetzen: "Achten Sie auf gute Qualität und ertränken Sie Ihr Essen nicht darin. Man sollte es als Zutat betrachten." Und sie hat noch einen wichtigen Hinweis: "Wenn ich die Finger von etwas lassen würde, ist es Margarine." Der Hintergrund: Dafür werden pflanzliche Öle verarbeitet und gehärtet, dabei entstehen aus den ungesättigten Fettsäuren Transfette. Das kann auch passieren, wenn pflanzliche Öle mehrfach und stark erhitzt werden. Die sind tatsächlich ein Problem, da sie den LDL-Cholesterinspiegel stark ansteigen lassen und damit langfristig zu Arteriosklerose führen können. Transfette können sich außerdem in vielen Fertigprodukten und hochverarbeiteten Produkten wie diversen Riegeln, Snacks oder Fertigdesserts verstecken.

Selbst und frisch

Ein gesunder Umgang mit Fett ist nicht so schwer. Aber wie immer in der Ernährung gilt: Ein klares Regelwerk, an das man sich halten kann, gibt es nicht, nur Anhaltspunkte. Ja, ungesättigte, unverarbeitete pflanzliche Öle sind wohl die bessere Variante. Das heißt aber nicht, dass man die tierische Variante verteufeln muss – auch gesättigte Fettsäuren haben ihre Aufgaben. Ohnehin kann man Fett nicht isoliert betrachten, es wirkt im Körper auch in Verbindung mit den anderen Makronährstoffen. "Und gerade eine unausgewogene Kombination aus Zucker und Fett kann schnell zu einer Überernährung mit einer zu hohen Gesamtbilanz führen", weiß Wilkinson.

Aber Menschen sind sehr individuell, ihre Stoffwechsel reagieren auf die gleiche Zufuhr oft ganz unterschiedlich, man muss ausprobieren und sich an den für einen selbst idealen Zugang herantasten. Will man die Kontrolle darüber behalten, wie viel Fett man zu sich nimmt, führt kein Weg daran vorbei, sich selbst an den Herd zu stellen. Nur so kann man wirklich wissen, wie viel davon beim Kochen verarbeitet wird und dass die Qualität auch passt. Stimmt die nicht, merken es viele aber doch recht rasch. Holt man sich zum Beispiel zu Mittag schnell eine Nudelbox, mündet das bei so manchem in ziemlichem Bauchgrummeln.

Sicher sein kann man sich allerdings bei einer Sache: Hände weg von hochverarbeiteten Produkten mit vielen Transfetten. Zu denen sollte man, wenn überhaupt, nur ganz selten greifen – und dann sehr bewusst. Denn da scheint fast kein Inhaltsstoff einer gesunden, ausgewogenen Ernährung zuträglich zu sein. (Pia Kruckenhauser, 22.4.2024)