Der neue § 2i Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz ("AVRAG") erlaubt zunächst als Grundsatz, ein Arbeitsverhältnis mit anderen Arbeitgebern einzugehen. Allerdings gibt es zwei gesetzliche Ausnahmen: Der Arbeitgeber kann im Einzelfall verlangen, dass der Arbeitnehmer die Beschäftigung in einem weiteren Arbeitsverhältnis unterlässt, wenn sie entweder mit arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist oder der Verwendung im bestehenden Arbeitsverhältnis abträglich ist. Beides sollten Arbeitnehmer:innen bedenken, bevor sie einen zweiten Arbeitsvertrag unterschreiben.

Abträgliche Nebenbeschäftigung

Schon bisher war aufgrund der Treuepflicht der Arbeitnehmer:innen unstrittig, dass Nebenbeschäftigungen unzulässig sind, wenn sie die Interessen der Arbeitgeberin beeinträchtigen, etwa weil sie die Arbeitsleistung beeinträchtigen, konkurrenzierend oder für das Unternehmen rufschädigend sind. Solche Nebenbeschäftigungen konnten bis hin zur Entlassung führen. Nunmehr wird ein Unterlassungsanspruch des Unternehmens geschaffen, aber nur bei "Abträglichkeit" des weiteren Arbeitsverhältnisses für "die Verwendung". Das deutet auf ersten Blick darauf hin, dass Nebenbeschäftigungen nicht untersagt werden können, solange die Arbeitsleistung passt.

Abträglich und damit untersagbar soll eine Nebenbeschäftigung sein, die nachteilige, unzumutbare Auswirken auf den Betrieb hat.
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Ganz so ist es laut Materialien dann aber doch nicht: Abträglich und damit untersagbar soll eine Nebenbeschäftigung sein, die nachteilige, unzumutbare Auswirken auf den Betrieb hat. Der Nachteil kann in einer Konkurrenzierung liegen, in einer aus der Mehrbelastung resultierenden Gefährdung für die Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, einer möglichen Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen, in Interessenkonflikten und Schädigung des Ansehens des Unternehmens. Somit wird im Wesentlichen normiert, was in Lehre und Judikatur weitgehend unstrittig ist. Es fällt allerdings auf, dass laut AVRAG nur unselbständige Nebentätigkeiten unzulässig sein können. Der Umkehrschluss, dass daher selbständige Erwerbstätigkeiten jedenfalls erlaubt sind, ist abzulehnen, weil bei Abträglichkeit derselben ein vergleichbarer Sachverhalt mit identer Interessenlage vorliegt.

Mehrfachbeschäftigungen sprengen Arbeitszeitgrenzen

Der andere Fall, in dem Unternehmen das zweite Arbeitsverhältnis untersagen können, ist die Unvereinbarkeit mit arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen. Gemeint ist die Regel in § 2 AZG, wonach bei Mehrfachbeschäftigungen die gesetzlichen Höchstgrenzen der Arbeitszeit in Summe nicht überschritten werden dürfen. Die praktische Relevanz dieser Bestimmung hielt sich bislang in Grenzen, zumal unklar ist, welchen der beiden Arbeitgeber:innen eine Verwaltungsstrafe droht und ob mit mangelnder Kenntnis oder Erkennbarkeit der zweiten Beschäftigung argumentiert werden kann. Daran dürfte auch die Novelle nichts ändern, weil Arbeitgeber:innen – so sie überhaupt von der zweiten Anstellung erfahren – auch bisher guten Grund hatten, das Ende der Arbeitszeitverletzung zu verlangen, für die ihre Organe bestraft werden können. Was zur weiteren Frage führt, ob im Fall einer arbeitszeitrechtlichen Unvereinbarkeit wirklich die Unterlassung der gesamten Zweitbeschäftigung verlangt werden kann, oder nur die Reduktion der dort vereinbarten Arbeitszeiten auf das vereinbare Maß. Zweiteres ist nach dem Sinn der Vorschrift anzunehmen, auch wenn der Text nicht differenziert.

Rätselraten statt Offenlegungspflicht

Bei all dem stellt sich freilich die Frage, wie der erste Arbeitgeber von der Beschäftigung bei der zweiten Arbeitgeberin überhaupt erfährt. § 2i AVRAG geht nicht so weit, Arbeitnehmer:innen zur Offenlegung einer zweiten Beschäftigung zu verpflichten. Das lässt das neue Recht der Unternehmen zahnlos erscheinen. Eine Offenlegungspflicht im Dienstvertrag zu vereinbaren ist sinnvoll, wiewohl ihre Verletzung allein selten arbeitsrechtliche Konsequenzen haben wird.

Nebenbeschäftigungsverbote in Dienstverträgen werden wie bisher nur durchsetzbar sein, soweit die nunmehr normierte "Abträglichkeit" oder arbeitszeitrechtliche Unvereinbarkeit gegeben ist. Ein Änderungsbedarf bestehender Vereinbarungen besteht daher nicht. Wenn der neue Paragraph den Unterlassungsanspruch auf "Einzelfälle" reduziert, wird damit kein Verbot einer allgemeinen Regel im Dienstvertrag gemeint sein. Vielmehr dürfte es darum gehen zu vermeiden, dass Unternehmen reflexartig ab Kenntnis eines zweiten Arbeitsverhältnisses dieses untersagen.

Untersagungsanspruch statt Entlassungsrecht?

Eine offene Frage wird letztlich nur oberstgerichtlich geklärt werden können: In welchem Verhältnis steht das Recht des Unternehmens, die Unterlassung der unzulässigen Zweitbeschäftigung zu verlangen, zu seinem allfälligen Entlassungsrecht? Darf ein Unternehmen weiterhin, wenn die Zweitbeschäftigung einen Entlassungsgrund darstellt, die Entlassung aussprechen (oder muss es das wegen des Unverzüglichkeitsgrundsatzes)? Oder muss es zuerst sein in § 7i AVRAG normiertes Recht ausüben, also die Beendigung der Zweitbeschäftigung samt Nachweis innerhalb einer bestimmten Frist verlangen, bevor – nach erfolglosem Fristablauf – die Entlassung zulässig ist?

Benachteiligungsverbot, Anfechtungsrecht

Das Recht auf Mehrfachbeschäftigung wird durch das Benachteiligungsverbot und die Möglichkeit einer Anfechtung wegen verpönten Motivs verstärkt: Arbeitnehmer:innen dürfen wegen einer (zulässigen!) zweiten Beschäftigung nicht gekündigt, entlassen oder auf andere Weise benachteiligt werden. Dasselbe gilt für Personen, die ihr Rechte im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Dienstzettels und der Aus-, Fort- oder Weiterbildung (einschließlich Kostentragung und Entgeltfortzahlung) geltend machen (darüber wurde im ersten Teil berichtet).

Während vor einer Entlassung selbstverständlich sein sollte, dass ihre Berechtigung geprüft wird, wird dies zukünftig auch bei Kündigungen in diesem Kontext nötig sein, um ein Anfechtungsverfahren zu vermeiden. Wer eine Person nur deshalb kündigt, weil sie eine zweite Beschäftigung nicht aufgibt, wird daher gut daran tun, die Unzulässigkeit der Nebenbeschäftigung genau zu prüfen. Das wird dem Unternehmen allerdings dann nicht möglich sein, wenn die Mitarbeiterin keine Details zur zweiten Beschäftigung offenlegt. Stellt sich im Gerichtsverfahren heraus, dass die darauf erfolgte Kündigung die Reaktion auf eine zulässige Zweitbeschäftigung war, ist derzeit völlig unklar, ob die mangelnde Kooperation der Mitarbeiterin zu einem Prozessverlust auf ihrer Seite führt. Eine gesetzliche Offenlegungspflicht wäre auch aus diesem Grund wünschenswert gewesen. (Kristina Silberbauer, 28.3.2024)