Die Journalisten Henry Dünser und Neil Rafferty reflektieren die Keynote des ukrainischen Politologen Sergiy Kudelia im Gastblog.

Der Mediengipfel in Lech steht für die Diskussion brisanter und aktueller Inhalte. Ein Thema, das derzeit die Welt erschüttert, ist der Angriffskrieg von Russlands Präsident Wladimir Putin auf die Ukraine. Der ukrainische Politologe Sergiy Kudelia attestiert in seiner Keynote seinem Heimatland ein starkes nationales Selbstbewusstsein. Die Bestrebungen für einen unabhängigen Staat würden schon seit Jahrhunderten bestehen. Doch Russland würde einen eigenständigen ukrainischen Staat "nie akzeptieren".

Der Ukrainer Sergiy Kudelia am Mediengipfel in Lech.
Foto: ProMedia/Florian Lechner

Da sich die Ukraine zu einer funktionierenden Demokratie entwickelte, hätte Russland eingegriffen. Die weitere Entwicklung des Konflikts könne seiner Meinung nach drei mögliche Szenarien beinhalten.

1. Neutrale Ukraine

Das denkbar schlechteste Szenario wäre laut Kudelia der Weg in eine nominale Neutralität. Politisch weiterhin von Russland abhängig, würde sich sowohl die Situation der Ukraine als auch jene von Europa verschlimmern. Es wäre denkbar, dass sich die russischen Aggressionen auf weitere europäische Länder ausbreiten.

2. Wirtschaftliche Kontrolle

Der Politologe beschreibt im zweiten Szenario eine Ukraine als Pufferstaat: Zwischen Russland und Europa würde das Land wirtschaftlich schwach gehalten. Folgend würde die Verarmung zu Instabilität und Anfälligkeit gegenüber ausländischen Interventionen führen. Keiner der beiden vorhin erwähnten Wege würde zu einer unabhängigen Ukraine führen. Um den Konflikt rasch beenden zu können, bräuchte es eine europäische Lösung.

3. Perspektiven aus Brüssel

Er sieht die Europäische Union in der Pflicht. "Denn der wahre Weg würde in Kiew beginnen und in Brüssel aufhören", sagt er. Fakt sei, dass der Krieg die Ukraine grundlegend und nachhaltig verändern wird. Die unerwartet erfolgreiche Verteidigung der Ukraine könnte die territorialen Ambitionen Russlands zerschlagen. Der Westen solle dem Land Perspektiven bieten. Durch die Aufnahme der Geflüchteten würden sich diese stärker mit Europa identifizieren. Die Zugehörigkeit der Ukraine zum Staatenverbund müsste laut Kudelia durch eine EU-Mitgliedschaft bestätigt werden. Dies könnte die ukrainische Regierung, die Gesellschaft sowie die Ökonomie stärken. (Henry Dünser, Neil Rafferty, 23.4.2022)